Mutig das Andenken bewahren: Albanische Christinnen und Christen haben in der Zeit des Kommunismus religiöse Gegenstände unter Einsatz ihres Lebens versteckt. Heute sind die Objekte wieder für alle in der Kirche St. Eufemia zugänglich.
Sein Name ist Gjergj Thekna. Der mutige Albaner stammt aus dem Dorf Breg. Gjergj Thekna war schon immer eng verbunden mit den Priestern, die in seiner Kirche, in St. Eufemia in Breg in Nordalbanien, Dienst taten. „Diese Kirche war über Jahrhunderte der zentrale Gottesdienstort für die gesamte Region. Aus vielen Dörfern kamen sonntags die Gläubigen zusammen“, erzählt Br. Andreas Waltermann, der seit über 15 Jahren als Kapuziner und Priester in Albanien lebt. Zwar gab es seit 1946 viele Repressalien gegen die Katholiken in der Gemeinde, Priester und Ordensleute wurden verhaftet, in Straflager gesteckt oder getötet. Dennoch war der Glaube unter den Christen vor Ort stark und lebendig. „1967 änderte sich das radikal“, berichtet der Kapuziner. „Kirchen wurden profaniert, abgerissen oder zu Viehställen, Sportstätten, Kinos oder Lagerhäusern umfunktioniert. In Breg wurde der Altarraum weggesprengt und die Kirche zu einer Schule gemacht.“ Gjergj Thekna rettete in dieser Zeit einige Gegenstände seiner geliebten Kirche St. Eufemia vor der Zerstörung: das Kirchensiegel, das sich jetzt im Diözesanmuseum befindet, die alte, kleine Glocke von 1835, ein eisernes Kreuz, ein Eisen zum Backen von Hostien und die große Glocke von 1930.
Br. Andreas ist von der Geschichte des mutigen Christen beeindruckt.
„Die Geschichte des eisernen Kreuzes ist besonders eindrücklich“, erinnert sich der Ordensmann. „Das eiserne Kreuz war während der ganzen Zeit des Kommunismus innen im Schornstein seines Hauses eingemauert. Nur Gjergj und seine Frau Dila wussten davon. Bei den regelmäßigen Hausdurchsuchungen der Kommunisten wurde es nie gefunden.“ Die Eheleute gingen ein hohes Risiko ein. Es gab unzählige Spione und Denunzianten, die mit Block und Bleistift alles Verdächtige notierten und meldeten. Noch gefährlicher wurde der Einsatz dadurch, dass der direkte Nachbar der strammste Kommunist des Dorfes war. „Wenn man sie erwischt hätte, wären sie sicherlich erschossen und die ganze Familie deportiert worden“, sagt Br. Andreas. „Für einen Rosenkranz in der Tasche konnte man zu 25 Jahren Zwangsarbeit, zu Gefängnis oder gar zum Tode verurteilt werden.“ Dieser Gefahren war sich Gjergj Thekna durchaus bewusst. Er handelte dennoch. Bevor die Kirche zerstört und umfunktioniert wurde, konnte der Albaner zusammen mit seinem Bruder Nikoll Thekna in einer Nacht- und Nebelaktion auch die zwei Glocken unbemerkt zu sich nach Hause bringen. „Die kleine Glocke von 1835, die sie retteten, wurde schon in der ersten Kirche von Breg geläutet und hat eine lange Geschichte“, sagt Br. Andreas. Sie wiegt 18,5 Kilogramm und zeigt die Jungfrau Maria mit dem Kind, Jesus am Kreuz und die heiligen Apostel Petrus und Paulus. Die Glocke lag Jahrzehnte unter den Fußbodenbrettern des Hauses des Ehepaares. Die große Glocke von 1930, die 170 Kilogramm wiegt, und den heiligen Sebastian, den heiligen Johannes den Täufer und die heilige Märtyrerin Eufemia, die Patronin der Kirche, zeigt, verschwand unter einem großen Haufen von Garten- und Feldabfällen. 50 Jahre blieb sie dort verborgen. „Direkt nach meinem Amtsantritt im Jahr 2009 haben wir über die versteckten Gegenstände gesprochen und dabei entstand die Idee, wieder einen Kirchturm zu bauen“, erzählt Br. Andreas. Nach der Fertigstellung im Mai 2011 wurden die Glocken dann übergeben. Nun hängt die große Glocke wieder im Kirchturm von St. Eufemia und ruft die Gläubigen, wie früher, zum Gottesdienst zusammen. „Jeder Glockenschlag erinnert an die Courage dieser Christinnen und Christen“, sagt Br. Andreas.
Auch andere Gegenstände wurden dem deutschen Kapuziner und Priester in den letzten Jahren von Albanern anvertraut und kehrten damit an ihren alten Kirchort zurück. „Ich erinnere mich gut, es war im Herbst 2014: Pashk Tota aus dem Dorf Vaushenkoll, das zu Breg gehört, brachte mir nach einem Gottesdienst drei Gegenstände, die in einer kleinen Kiste auf dem Dachboden seines Hauses versteckt waren“, erzählt Br. Andreas. Der Albaner hatte sie zufällig dort entdeckt. Es war sein Vater, der die zwei silbernen Kerzenständer und den kleinen Kelch des Priesters Don Lec Sahatxhia dort vor der Zerstörung durch die Kommunisten bewahrt hatte.
Don Lec Sahatxhia: der letzte Priester von Breg.
Nach der Ausrufung Albaniens zum „ersten atheistischen Staat der Welt“ im Jahr 1967 wurden alle Kirchen geschlossen, Kirchengüter und Archive zerstört, die noch lebenden Priester inhaftiert oder umgebracht. „Don Lec Sahatxhia wurde bei einem Gottesdienst, den er heimlich mit einigen Gläubigen feierte, verhaftet“, weiß Br. Andreas. Der Priester hatte schon von 1947 bis 1960 in einem Straflager gelebt. Nach seiner erneuten Verhaftung verliert sich jede Spur von ihm. Die wiederentdeckten Gegenstände erinnern an ihn.
Die Frau aus Kavlinaj und die Herz-Jesu-Figur
Und noch eine bewegende Geschichte kann Br. Andreas Waltermann erzählen. Es ist die Geschichte einer steinernen Herz-Jesu-Figur. Die Statue wurde 1967 bei der Zerstörung der Kircheneinrichtung zerschlagen. Die Bewohner von Kavlinaj, einem Dorf in der Nähe, nahmen die Bruchstücke heimlich mit und versteckten die Teile in einem Dornengestrüpp. Der Kopf der Herz-Jesu-Figur wurde von einer Frau aus Kavlinaj viele Jahre unter ihrem Bett versteckt. „Er ist mittlerweile ganz glatt, denn die Frau hat den Kopf Jesu abends oft in den Händen gehalten und damit gebetet“, schildert Br. Andreas. „Im Jahr 2012 brachten die Bewohner von Kavlinaj die vier Teile der Figur zu mir. Wir haben sie mit einem Steinkleber wieder zusammengefügt.“ Nach vielen Jahrzehnten im Verborgenen steht die Figur, die vom Mut albanischer Christinnen und Christen zeugt, nun wieder für alle zugänglich in der Kirche.
zuerst veröffentlicht in: https://www.kapuziner.de/kreuz-im-kamin-mutig-das-andenken-bewahren/
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